Dorn, Wulf by Phobia

Dorn, Wulf by Phobia

Autor:Phobia
Die sprache: deu
Format: azw3, mobi
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00


44.

Was für ein Tag.

Es war einer dieser ruhigen Nachmittage, die Stanley Moreland nicht ausstehen konnte. Bereits zum fünften Mal machte er die Runde durch sein Reich, die Farben- und Dekorationsabteilung des Screwfix-Heimwerkermarkts, ohne auf einen Kunden gestoßen zu sein.

Um diese Jahreszeit dachte wohl niemand an neue Tapeten oder einen frischen Anstrich, sondern sparte sein Geld für den Geschenkeberg an Heiligabend.

Missmutig prüfte er die Regale. Alle Fächer waren aufgefüllt, und die Artikel standen in Reih und Glied, mit den Etiketten nach vorn ausgerichtet, wie es sich gehörte. Auch die Weihnachtsdekoration war perfekt angebracht, die Angebotsschilder hingen, wo sie hängen sollten.

Kurzum, es gab nichts zu tun, und das war Morelands übelster Albtraum. An einem Tag wie diesem kam er sich schrecklich unnütz vor. Schließlich wurde er nicht dafür regelmäßig zum Mitarbeiter des Monats gewählt, dass er die Hände in die Hosentaschen steckte und auf den Feierabend wartete.

Dann endlich erspähte er einen potenziellen Kunden zwischen den Regalreihen. Moreland aktivierte sein Bei-uns-ist-der-Kunde-noch-König-Lächeln und ging zielstrebig auf ihn zu.

Der Mann stand mit dem Rücken zu ihm, und als Moreland sich ihm näherte, stutzte er. Er trug einen Trenchcoat, der ihm zu kurz war, ebenso wie die Anzughose, die darunter hervorschaute.

Moreland behielt sein routiniertes Lächeln bei, aber innerlich stieß er einen Seufzer aus. Wahrscheinlich hatte der Mann die Sachen aus der Kleidersammlung gezogen, und wenn es sich nicht zufällig um die Reinkarnation von Howard Hughes handelte, die sich zu Screwfix verirrt hatte, würde er bestimmt kein großes Geschäft mit ihm machen.

Als er nur noch wenige Schritte entfernt war, blieb Moreland abrupt stehen. Erst jetzt fiel ihm auf, dass der Mann sich nach vorn krümmte. Dabei hielt er beide Hände auf den Bauch gepresst, als habe er Schmerzen.

»Kann ich Ihnen behilflich sein, Sir?«

Noch immer lächelte Moreland zuvorkommend, während er sich insgeheim schon auf die Frage vorbereitete, wo sich die nächste Toilette befand.

Der Mann reagierte nicht gleich. Er richtete sich auf und betastete seine Nase. Dann betrachtete er kurz den Finger und zog ein Papiertaschentuch aus der Manteltasche. Er hielt es sich vors Gesicht und sah sich zu Moreland um.

Schlagartig gefror dem mehrfachen Mitarbeiter des Monats das Lächeln auf den Lippen. Behandle alle Kunden gleich, war stets seine Devise gewesen, aber nun hatte Moreland ernsthafte Zweifel, ob ihm das diesmal glücken würde.

Es fiel ihm schwer, die freundliche Miene beizubehalten und den Mann nicht anzustarren. Moreland musste an einen Mitschüler aus seiner Kindheit denken, der sich einmal einen Topf mit kochender Milch über die Brust geschüttet hatte. Beim gemeinsamen Duschen nach dem Sportunterricht hatte Moreland die verwucherten Brandnarben stets mit einer Mischung aus Faszination und Ekel betrachtet. Die Haut auf der Brust des Jungen hatte ausgesehen wie dieses Gesicht, auch wenn Moreland es nicht vollständig erkennen konnte, weil es zum großen Teil unter dem Schirm der Arsenal-Kappe und hinter dem Taschentuch verborgen war. Aber was dazwischen hervorlugte, genügte völlig.

Am meisten jedoch erschreckten ihn die wimpernlosen, graublauen Augen des Mannes, die ihn inmitten all dieser Narben ansahen, als würden sie durch eine Maske schauen.

Da war so viel Traurigkeit und Zorn in diesem Blick.



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